Ein Mindset, das unser Verhältnis zu Besitz, Spenden und Ewigkeit verändert
Der Prophet ﷺ vertraute seiner Frau ʿĀ’isha (r) ein Schaf an. Sie sollte es an Bedürftige verteilen. Als er später zurückkam, fragte er, was aus dem Schaf geworden sei. Ihre Antwort: „Es ist alles weg – außer der Schulter.“ Woraufhin der Prophet ﷺ ihr mit einem Satz eine neue Perspektive schenkte. Er sagte: „Nein, ʿĀ’isha – alles ist geblieben, außer die Schulter.“ (Tirmidhī, Aḥmad u.a.)
Was für eine Sichtweise. In unserer materialistischen Welt würde fast jeder die Antwort von ʿĀ’isha (r) nachvollziehen: Wenn man etwas hergibt, ist es weg. Es fehlt einem. Der Prophet ﷺ aber dreht dieses Denken auf den Kopf. Für ihn – und für alle, die an das Jenseits glauben – bleibt das, was gegeben wurde, und das, was man für sich behält, ist das Einzige, was wirklich „verloren“ geht. Die Spende, das geteilte Essen, die gute Tat – sie bleiben, weil sie in Allahs Buch der Taten eingeschrieben werden. Für ewig.
Diese Aussage des Propheten ﷺ ist viel mehr als eine Reaktion auf eine beiläufige Bemerkung. Sie ist ein Lebenskonzept. Sie zeigt, wie anders das Denken eines Muslims sein kann und sollte. Sie richtet unser Herz vom Diesseits auf das Jenseits aus. Sie verändert, wie wir über Besitz, Verlust und Investition denken. Denn in Wahrheit ist das, was wir geben, kein Verlust – es ist ein Gewinn. Es ist ein Handel mit Allah, bei dem der Einsatz gering, aber der Ertrag unermesslich ist.
ʿĀ’isha behielt vermutlich die Schulter zurück, weil sie wusste, dass der Prophet ﷺ dieses Stück Fleisch besonders mochte. Doch gerade dieses aufgehobene Stück – das vermeintlich Wertvollste – war nach seiner Logik das Einzige, was „verloren“ war. Es wurde (noch) nicht gegeben, nicht geteilt, nicht verschenkt. Und so wurde es nicht Teil der Ewigkeit.
Was bedeutet das für uns? Viel. Sehr viel. Denn jeden Tag treffen wir Entscheidungen darüber, was wir behalten und was wir geben. Zeit, Geld, Energie, Aufmerksamkeit, Wissen, Liebe. Wenn wir sie festhalten, mögen sie uns für einen Moment gehören. Aber wenn wir sie geben – auf dem Weg Allahs, für das Gute, für andere – dann bleiben sie. Für immer.
Der Satz des Propheten ﷺ lädt uns ein, unser Verhältnis zum Geben grundlegend zu überdenken. Vielleicht sogar unser ganzes Leben. Wenn du eine Spende tätigst, ist das Geld nicht weg – es ist gerettet. Wenn du deine Zeit für eine gute Sache aufwendest, hast du sie nicht verloren – du hast sie investiert. Wenn du teilst, verzichtest du nicht – du tauschst Vergänglichkeit gegen Ewigkeit.
In einer Zeit, in der das „Ich“ regiert, Besitz anhäufen zur Religion geworden ist und der Wert eines Menschen oft an seinem Kontostand oder seiner Reichweite gemessen wird, erinnert uns dieser Hadith daran, dass Allahs Bilanz ganz anders aussieht. Sie basiert nicht auf dem, was wir haben, sondern auf dem, was wir geben.
Und wenn wir einmal alt sind, zurückblicken und uns fragen, was geblieben ist – dann wird die Antwort klar sein: Das, was wir geteilt haben. Das, was wir für andere getan haben. Das, was wir um Allahs Willen gegeben haben.
„Alles ist geblieben – außer die Schulter.“
Ein Satz, der genügt, um eine ganze Ummah zum Umdenken zu bringen.