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Tag: fatwa

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Fatwas in der Filterblase – Wer spricht eigentlich für den Islam?

„Ist das halal?“ – „Darf man das?“ – „Was sagt der Islam dazu?“
Diese Fragen begegnen uns täglich. In Gesprächen, auf Social Media, in Familien, WhatsApp-Gruppen oder Kommentarspalten. Und immer häufiger gibt es eine schnelle Antwort – oft sogar mit Siegel und Titel:

„Shaykh XYZ hat gesagt…“
„Eine Fatwa wurde veröffentlicht…“
„Ein Video dazu geht gerade viral…“

Doch wer darf eigentlich eine Fatwa geben? Was ist eine Fatwa überhaupt? Und was passiert, wenn wir damit leichtfertig umgehen?

1. Was ist eine Fatwa – und was nicht?

Eine Fatwa ist keine Meinung, sondern eine verantwortliche religiöse Einschätzung. Sie basiert auf:

  • einer tiefen Kenntnis des Qur’an und der Sunnah
  • dem Verständnis der vier Rechtsschulen (Madhāhib)
  • der Berücksichtigung von Umständen, Zeiten, Orten, Gesellschaften (Fiqh al-Wāqiʿ)

Sie ist kein TikTok-Kommentar. Keine Instagram-Story. Und schon gar kein Mittel zur Selbstvermarktung.

2. Wer darf eine Fatwa geben?

Ganz klar: Nur jemand, der qualifiziert ist.

  • Der in einer durchgehenden Tradition steht
  • Der Usūl al-Fiqh (Rechtsgrundlagen) studiert hat
  • Der nicht nur die arabische Sprache versteht, sondern auch die juristische Methodik
  • Und der die Verantwortung versteht, die mit jedem Wort kommt

Es ist wie bei Medizin:
Man kann vieles googeln. Aber wer ohne jahrelanges Studium Diagnosen stellt, gefährdet Leben.

Im Islam gefährdet man mit ungeprüften Fatwas nicht nur Menschen – sondern Seelen.

3. Das Problem der „Copy-Paste-Fatwas“

Wir leben in einer globalisierten Welt. Das ist eine Chance – aber auch eine Herausforderung. Fatwas aus dem Nahen Osten oder aus Asien werden oft ungeprüft übernommen. Ohne zu berücksichtigen:

  • den sozialen Kontext
  • die rechtliche Lage in Deutschland
  • die kulturellen Realitäten vor Ort

Ergebnis?
Verwirrung, Spaltung, Vertrauensverlust.

Und das Schlimmste: Viele Muslime wissen gar nicht mehr, an wen sie sich überhaupt wenden können.

4. Fatwas als Mittel der Spaltung

Leider werden Fatwas heute auch strategisch eingesetzt:

  • Um andere Gruppen zu diffamieren
  • Um politische oder ideologische Ziele zu erreichen
  • Um Kontrolle auszuüben

Ein Beispiel:
Eine Fatwa gegen das Gebet in einer bestimmten Moschee – nicht wegen echter Abweichung, sondern wegen persönlicher oder kultureller Differenzen.

Solche „Fatwas“ schaden der Ummah mehr als sie ihr nützen.

5. Die deutsche Realität: Zwischen Unsicherheit und Chance

In Deutschland gibt es kaum anerkannte, einheitliche Fatwa-Gremien. Stattdessen:

  • Viele Gemeinden agieren unabhängig
  • Einzelpersonen äußern sich ungefragt
  • Oft übernehmen Gläubige Fatwas aus ihren Herkunftsländern

Aber: Genau hier liegt auch eine gewaltige Chance.

Deutschland braucht:

  • ein authentisches, eigenständiges Fatwa-Gremium
  • mit Gelehrten, die hier lebenhier ausgebildet wurden oder die Lebensrealitäten hier kennen
  • das mit Weisheit, Wissen und Weitsicht arbeitet

Solange wir das nicht etablieren, bleiben wir abhängig – und oft zerrissen.

6. Was können wir tun?

Für Einzelne:

  • Sei vorsichtig, wem du religiöse Fragen stellst
  • Stelle lieber eine Frage zu viel als zu wenig
  • Achte auf die Herkunft der Fatwa
  • Nimm dir Zeit – echte Antworten brauchen Tiefe

Für Institutionen:

  • Fördert echte Talente im islamischen Wissen
  • Vernetzt euch mit qualifizierten Gelehrten
  • Arbeitet gemeinsam an einem verantwortungsvollen, kontextsensiblen Fatwa-Gremium
Fazit: Fatwa ist Verantwortung

Wer eine Fatwa gibt, spricht im Namen der Religion. Wer eine Fatwa weiterverbreitet, trägt Verantwortung. Und wer sich eine Fatwa einholt, sollte wissen, woher sie kommt.

„Fatwas sind nicht für Klicks da. Sondern für Seelen, die den Weg zu Allah suchen.“