Da‘wah = Einladung?
Daʿwah ist mehr als eine Einladung – sie ist Verantwortung und Einsatz
In unserer Zeit, in der Begriffe allzu oft reduziert und mit oberflächlicher Bedeutung versehen werden, ist Daʿwah – das Rufen zu Allah – leider auch davon nicht verschont geblieben. Häufig wird es nur als „Einladung zum Islam“ verstanden, doch wer das Leben des Propheten ﷺ und seiner Gefährten studiert, erkennt, dass Daʿwah weit mehr ist: ein Dienst, der Geduld, Einsatz und echte Verantwortung verlangt.
„Und aus Barmherzigkeit von Allah bist du (O Prophet) sanft zu ihnen gewesen. Wenn du grob und hart von Herzen gewesen wärest, wären sie sicherlich von dir abgesprungen …“
(Sūrah Āli ʿImrān, 3:159)
Warum Daʿwah nicht bei Worten endet
Wenn jemand sagt: „Ich habe gerufen, was nun folgt, ist nicht mein Problem“, hat er das Wesen dieser Aufgabe verkannt. Der Prophet ﷺ bat seine Sahaba: „Ballighu ʿannī walaw āyah“ – „Übermittelt von mir, selbst wenn es nur ein Vers ist.“ Doch das Übermitteln ist nicht losgelöst von Charakter und Fürsorge. Er lebte vor, was er rief, zeigte Geduld bei Ablehnung und wirkte weiter, ohne je nachzulassen. Er wollte ihnen sagen, dass das wenige sagen, verbunden aber mit viel Mühe und Anstrengung genau die Ergebnisse bringen, die wir uns eigentlich wünschen.
Mehr als ein Redner: Ein Führer, ein Begleiter
Daʿwah gleicht einem Steuerberater, der nicht nur die Regeln nennt, sondern mitdenkt, begleitet, kontrolliert und erklärt – und zwar solange, bis das Ziel erreicht ist. Oder wie ein Arzt, der nicht nur ein Buch in die Hand drückt, sondern untersucht, aufklärt und die Gesundheit wiederherstellt.
So ist der Dāʿī kein bloßer Redner – er ist ein Diener, der sät und pflegt, der durchhält und nicht aufgibt, selbst wenn kein einziger Halm sprießt – denn er arbeitet nicht für die Ernte, sondern für den Herrn der Saat.
Wer heute ruft und morgen schweigt, hat die Daʿwah nicht in ihrem Wesen begriffen.
Es wird oft erzählt, der Prophet ﷺ sei viele Male zu Abu Jahl gegangen, um ihn zur Wahrheit einzuladen. Wochenlang – vielleicht 99 Mal – suchte er das Gespräch, fand aber Ablehnung. Das zeigt: Daʿwah endet nicht beim ersten Nein. Sie bleibt dran, sucht den Dialog, gibt nicht auf – bis beide wissen, was gesagt wurde, warum es gesagt wurde, und welche Entscheidung jeder getroffen hat.
Kein Platz für Show-Daʿwah
Für viele Duat heute besteht die Herausforderung darin, Daʿwah nicht in Performance und Publikumsliebe aufgehen zu lassen. Kameras mögen Likes bringen – aber die Herzen erreichen sie nicht unbedingt. Wahre Daʿwah findet in den Häusern Allahs statt, im persönlichen Miteinander und in der täglichen Umsetzung, nicht nur auf Bildschirmen.
Fazit: Daʿwah beginnt in den Häusern Allahs
Daʿwah ist kein gelegentlicher Akt, sondern ein tägliches Programm, das Herz, Verstand und Hände fordert. Sie beginnt im Stillen, wächst in Taten und benötigt eine Umgebung, in der sie Früchte tragen kann – und genau diese Umgebung sind die Häuser Allahs. Es sind unsere Moscheen, unsere Makatib, unsere Zentren, in denen Tag für Tag Programme, Begegnungen und praktische Umsetzung stattfinden müssen – nicht nur der Ruf, sondern das Leben dessen, was gerufen wurde.
Wenn wir heute ernsthaft rufen wollen, müssen wir bereit sein, jeden Tag zu wirken, zu begleiten, zu leben. Nicht weil wir Aufmerksamkeit suchen, sondern weil wir Veränderung wollen. Und weil wir spüren, dass nur Barmherzigkeit, Ausdauer und Aufrichtigkeit Herzen öffnen können.
Möge Allah uns zu Duat machen, die nicht nur rufen, sondern auch bleiben, handeln, begleiten – so wie unser Prophet ﷺ es vorgelebt hat. Āmīn.